Sonntag, 28. August 2011

Über Feuerwerke in der Landeshauptstadt Potsdam

Eigentlich wollte ich dieses Blog gar nicht als solches verwenden, nämlich weder öffentlich Tagebuch führen, noch das word wild web mit meinen Meinungen (quantitativ) bereichern, denn ich finde (ah, da ist sie schon die erste Meinung), es ist bereits recht voll von Meinungen, quantitativ.
Und ich habe auch gar nicht angefangen, diesen Eintrag zu schreiben, um mich wertend über das www und seine Inhalte zu äußern (ich bin passionierte Googlerin, denn diese Unmengen an frei und einfach zugänglichen Informationen – quantitativ und qualitativ, wenn man etwas Geduld hat – sind einfach grandios!), sondern zu der in der Betreffzeile schon angekündigten Thematik, also:

Ich habe Feuerwerke immer geliebt.
Sogar die Silvesterfeuerwerke in meiner Prignitzer Heimatkleinstadt vor '89.
Dann zog ich nach Potsdam. In meinem ersten Semester rannte ich mehr als einmal ungekämmt auf die Straße, weil ich es irgendwo knallen und zischen hörte und unbedingt das Lichterspiel dazu sehen wollte. Manchmal erhaschte mein Blick noch ein paar Funken am Himmel. Dann fand ich heraus, wann und wo die jährlichen Explosionsspektakel stattfinden, pilgerte an zahlreichen Sommerabenden zu selbigen und berauschte mich an Licht und Farben und Krach.

Und dann?

Meine Begeisterung nahm im selben Maße ab, wie die Häufigkeit und Ausdehnung der Feuerwerke in Potsdam zunahmen. Inflationär nennt man sowas, von lat.: „das Sich-Aufblasen; das Aufschwellen“ (Quelle: Wikipedia). Es ist nicht ungewöhnlich, daß solche Entwicklung mit der Zeit zu einer Abstumpfung führt. Vielleicht ist es auch nicht ungewöhnlich, daß aus dieser Abstumpfung in der Folge eine Art Abscheu wird. Aber ich habe auch nie behauptet, hier etwas ungewöhnliches zu berichten. Jedenfalls ist nun jegliche Freude an Peng, Puff und Lichterglanz dahin, und es befällt mich stattdessen ein gewisser Groll, wenn ich die ersten Raketen eines Feuerwerks pfeiffen höre. Sie fangen nämlich in der Regel mit ganz hohen, pfeiffenden Raketen an, die nur einen leuchtenden Strich in den Himmel ziehen. Dann wird es kontinuierlich immer lauter und bunter und größer und mündet in kriegsähnlich anmutende Explosionsabfolgen, unter denen ungelogen schon mal meine Fenster geklirrt haben!

Gleichzeitig mit dem Groll hat sich in mir ein Mitleid aufgebaut: für all die Jungvögel, die von den Druckwellen aus ihren Nestern geblasen werden, für die Enten, die orientierungslos mitten in den Feuerregen fliegen, für die Rehe, die im Park Sanssouci spontane Herzattacken erleiden und in den Büschen elendig verenden. Auch für die ein oder andre alte Dame, die den April '45 miterleben mußte, und die jedes Jahr zur Feuerwerkersinfonie alle Lichter ausknipst und mit einer Haushaltskerze in den Keller eilt.
Zugegeben, die eben ausgeführten Szenarien sind fiktiver Natur und haben in der Wirklichkeit vielleicht nie stattgefunden. Doch, die Enten! Die habe ich mit eigenen Augen gesehen. Armes Viehzeug! Und wen ich auch gesehen haben (gesehen, nicht gehört): die Musiker.
Habt doch Erbarmen mit den Musikern! Jedes Jahr aufs neue fiedeln und pauken sie gegen das Gedonner an und wissen schon vorher, daß der Applaus am Ende nicht ihnen gilt, sondern dem Lichterlärm am Himmel. Unvergessen der Chor, der „Freude schöner Götterfunken“ um sein Leben brüllte (ach, wie findig von den Veranstaltern – der erste Knall kam genau auf „Freude“), viel schlimmer aber erging es den Solisten (ja, es gibt auch solistische Parts in diesem Stück): Teile des Chortextes kennt ja immerhin noch jeder zweite... Aber wer wußte schon, zu welchen Zeilen der Mann da vorn auf der Bühne seine Lippen bewegte... Man hofft, sie alle werden finzaniell angemessen entschädigt für diesen an Körperverletzung grenzenden Unfug.

Die Potsdamer scheinen es derweil noch längst nicht satt zu haben, denn Frequenz und Ausmaß der Feuerwerke steigern sich weiterhin Jahr für Jahr. Aber kann denn nicht mal der Tierschutz aktiv werden? Die Liga gegen Lichtverschmutzung? Greift kein Lärmschutzgesetz? Warum lehnt sich der Verband deutscher MusikerInnen nicht auf?
Wir können nur abwarten, wie sich diese Komponente der Potsdamer Unterhaltungskultur weiterentwickelt, ob sie dereinst unter aufbrandendem Protest verschwindet oder von allein in sich selbst zusammenfällt, oder in einem Megaspektakel, zu dem noch ein knackiger Name gefunden werden müßte, Teile des Schloßparks abgebrannt werden und mit dem ehemals so beliebten Schauplatz für selbigen auch das Event der Vergessenheit anheimfällt...
Es bleibt spannend, lieber Leser.