1849 erschien zum ersten Mal das "Kalewala", eine Sammlung alter finnischer Lieder, eine Mythologie des Nordens, herausgegeben von Elias Lönnrot. Jetzt ist das Kalewala in einer neuen Übersetzung erschienen (Jung und Jung, 2011), und bei dieser Gelegenheit habe ich nochmal darin herumgelesen und ein wunderbares Beispiel dafür gefunden, wie das Spinnen und das Erzählen miteinander verbunden sind, schon immer...
Da heißt es nämlich im ersten Lied, der Eröffnung des Epos:
"Mein Vater sang sie [die alten Weisen] einst beim Schnitzen eines Axtschafts,
meine Mutter bracht sie mir beim Kreisen ihrer Spindel bei,
als ich noch auf allen vieren am Boden vor ihr kroch,
[…]
Die Kälte hat mir Lieder gesungen, der Regen Verse gebracht,
andere Weisen trugen die Winde, trieben die Wellen herbei,
die Vögel legten Wörter dazu, die Baumwipfel ganze Sätze.
Die hab ich dann aufgewickelt, das Knäuel im Bündel verstaut,
das Bündel mit dem Knäuel in meinen Schlitten getan
und bin im Schlitten auf den Hof bis zur Tenne gefahrn,
es auf dem Speichersöller in den kupfernen Kasten gelegt.
Lang haben die Lieder im Kalten und Dunkeln gelegen.
Soll ich die Lieder jetzt aus dem Kalten und Dunkeln,
den Kasten in die Stube holen, auf der hölzernen Bank abstellen
unter dem weitbekannten Gebälk, der häuslichen Decke?
Soll ich die Zaubertruhe aufmachen, den wortgefüllten Kasten,
und das Knäuel abwickeln, den Knoten am Bündel lösen?
Dann könnte ein schönes ich singen, eine gute alte Weise,
[…]"