Sonntag, 30. Januar 2011

Schicksalsgöttin am Spinnrad

Im Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm gibt es einen sehr sehr langen Eintrag zum Verb "spinnen" mit vielen Zitaten aus Texten mehrerer Jahrhunderte und Erklärungen zur ungeheuer komplexen Bedeutungsgeschichte des Wortes.

Da heißt es unter Punkt III. "allerlei gedankenarbeit wird als das abspinnen eines rockens in fäden gefaszt". Das Spinnen wird beschrieben als "verwirrte gedanken haben, im irrthume sich befinden", aber auch "mehr als thätigkeit des gemütes", es zeuge ebenso "von einer darlegung mündlicher oder schriftlicher art, einer erzählung, einem gedicht u. s. w.", "dann auch von der schöpferthätigkeit gottes" sowie "in dichterischer sprache von einem ähnlichen vermögen der menschen" und zum Schluß "von der katze, mit rücksicht auf ihr freundliches, dem schnurren eines spinnrades ähnelndes geräusch".    


Zum Aspekt des Göttlichen findet sich Folgendes:
 "das geschäft des spinnens hatte aber etwas geheimnisvolles, und mit der kraft des gedankens mochte die spinnende leicht gutes und böses, freundliches und feindliches dem vom rocken an der spindel hinabschnurrenden faden einspinnen [...] göttliche frauen dachte man sich den lebensfaden der menschen spinnen"

Zu diesen Schicksalsgöttinen, die den Schicksalsfaden der Menschen und auch Götter (!) spinnen oder abschneiden, gehören zum Beispiel die Parzen der römischen Mythologie und die Nornen in der altnordischen Tradition. Sie treten immer zu dritt auf. - Auch unter Göttinnen macht das Spinnen gemeinsam offenbar mehr Freude... ;)